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Wie kam es zur deutschen Maut-Idee?
Eigentlich war wohl die Vorbereitung für die anstehende Pkw Maut in Deutschland für viele Politiker der CSU bereits eine beschlossene Sache. „Die Maut kommt!“ und „Was lange währt wird endlich gut!“ waren stets die Slogans der CSU gegenüber der Wählerschaft. Die Einführung der Maut war ein Wahlversprechen, das bereits als erledigt und eingehalten galt. Diese Selbstsicherheit war für einige bereits schon etwas bedenklich. Die ursprüngliche Idee kam vom einstigen Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Damals sagte er: "Es ist Zeit für ein zukunftstaugliches Modell".
Er forderte damals als Bedingung der neuen Koalition mit der CDU eine Pkw-Maut für alle – für deutsche und ausländische Autofahrer. Dabei sollten die Deutschen jedoch steuerlich entlastet werden, um den Unmut nachhaltig zu besänftigen. Mit dieser Entscheidung von Dobrindt wurde sehr schnell deutlich, dass Ausländer auf unseren Straßen erheblich mehr zur Kasse gebeten werden sollten. Diese Vorgänge des damaligen Verkehrsministers waren schon sehr fraglich und mussten nun durch den Bundesminister für Verkehr und Infrastruktur, Andreas Scheuer, weiter mitgetragen werden.
Der Prozess zur Pkw-Maut wurde bereits 2015 mit der Einführung des Infrastrukturabgabegesetzes in Gang gesetzt. Hier wurde explizit die Entrichtung einer Abgabegebühr bzw. Maut bei Nutzung von Bundesstraßen festgeschrieben. Diese Gebührenart findet bereits ihren Ursprung im Mittelalter, wo Grundherrn von Reisenden und Kaufleuten einen Wegzoll verlangten. Später wurde diese Abgabegebühr für Brücken, Tunnel, Straßen und Bauwerke gefordert.
Die Haltung der EU zur Maut
Die EU-Kommission wacht eigentlich darüber, dass Verträge eingehalten werden und das europäische Recht durch die Mitgliederstaaten richtig angewendet wird. Durch die Europäische Union wurde mit Inkrafttreten des Infrastrukturabgabegesetzes gegen Deutschland ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Bis Ende 2016 wurde hierzu ein Kompromiss ausgehandelt. Nach zähem Ringen und Bedenken durch die EU-Kommission konnten leichte Veränderungen erfolgen. Damit war die Klageerhebung durch die Europäische Union vor dem EuGH at acta gelegt.
Dabei bestand jedoch die Klagegefahr einzelner Europäischer Mitgliedstaaten weiterhin. Jedoch war beispielsweise Österreich bereits damals schon nicht zufrieden. kündigte damals bereits im Interesse seiner Bürger juristische Schritte an. Es war ein langer Weg, der noch viel länger geworden wäre, bis gegebenenfalls durch die Maut dann endlich auch Einnahmen zu verzeichnen gewesen wären.
Diskriminierung nicht erkannt?
Anscheinend wurde das Problem der Diskriminierung ausländischer Autofahrer durch die CSU völlig verkannt und unterschätzt. Es ist anzunehmen, dass die CSU als Erfinder der deutschen Maut nur ein sehr schmales Blickfeld auf die europäische Gesamtsituation hatte. Bayrische Maßstäbe sind eben nicht einfach auf die europäische Ebene übertragbar.
Deutschland ist nicht nur ein starker Wirtschaftspartner in der Europäischen Union, sondern auch durch die Infrastruktur, durch die zentrale europäische Lage und den Tourismus international eingebunden. Das Zusammenwirken in der Europäischen Union ist mit Rechten und Pflichten verbunden und kann dazu führen, dass ein Mitgliedsstaat juristische Schritte über den EuGH einleiten kann.
Es war daher schon seit längerer Zeit erkennbar, dass sich mehrere Europäische Staaten Österreich anschließen werden, um die Ungleichbehandlung durch die deutsche Maut in Frage zu stellen und eine gerechte Lösung herbeizuführen.
Pkw Maut in Deutschland - Klare Absage durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH)
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Die Autofahrer in Europa können aufatmen Nun kam die überraschende Wendung. Der Europäische Gerichtshof kippte am 18.06.2019 die Einführung der deutschen Pkw-Maut. Ausschlaggebend war die Klage Österreichs.
Die Richter sahen die Pläne zur Maut als klares diskriminierendes Vorhaben an, welches letztendlich lediglich die ausländischen Autofahrer zur Kasse bittet. Zwar zahlen alle Autofahrer gleichermaßen, doch die deutschen Autofahrer würden über eine Kfz-Steuerentlastung einen Ausgleich erhalten.
Die Richter sehen eine einseitige wirtschaftliche Lastenverteilung zu Ungunsten der europäischen Mitgliedsstaaten. In der Begründung wird klar definiert, dass die Einführung der deutschen Maut zwangsläufig zu Verstößen und Missachtungen des freien Dienstleistungsverkehrs und freien Warenverkehrs führen würde. Dieses Urteil des EuGH ist daher so außergewöhnlich, weil mit diesem Ausgang niemand ernsthaft gerechnet hätte.
Konkreter heißt es in dem Urteil, dass die wirtschaftliche Last ausschließlich auf den Fahrzeughalter und Fahrer der europäischen Länder lastet. Also während ausländische Autofahrer zahlen müssen, zahlen deutsche Fahrer und bekommen diese Gebühr dann, wie eine Gutschrift auf die Kfz-Steuer angerechnet. Das ist eine indirekte Befreiung von einer Gebührenzahlung für die Straßennutzung.
Sonderbar ist nur, dass der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes, Nils Wahl, im Vorfeld die Maut für zulässig hielt. Schließlich zahlen deutsche und ausländische Autofahrer die gleiche Mautgebühr. Er sah den Zusammenhang der steuerlichen Entlastung der Deutschen über die Kfz-Steuer als nicht relevant an.
Hintergrund der EuGH-Entscheidung
Diese Entscheidung des EuGH trifft nicht nur die CSU und die Koalition. Sie stellt dem deutschen Bundesministerium hinsichtlich dieses Projektes ein „Armutszeugnis“ aus, welches juristisch und fachlich kompetent unzureichend geprüft wurde.
Die Bundesregierung argumentierte nach Auffassung des EuGH mit Informationen, die durch keinerlei Fakten und Erkenntnissen belegt werden konnten. Dabei ist es auch undenkbar, dass ausländische Autofahrer die deutsche Kfz-Steuer zahlen sollen. Zudem könnten sie sich, anders als deutsche Pkw-Halter, für eine Kurzzeitmaut entscheiden und entsprechend weniger zahlen.
Diese Kurzzeitvignetten waren für die Richter des EuGH ein weiteres fingiertes Argument. Hier hatte die CSU die Idee, Autofahrern mit nichtinländischem Kennzeichen für 10 Tage bis zu zwei Monaten die Durchfahrt durch die Zahlung dieser Kurzzeitmaut zu gestatten. Die Gebührenhöhe sollte davon abhängig sein, wie hoch die Leistung des Motors des betreffenden Fahrzeugs ist. Deutsche Autofahrer sollten selbst dann diese Gebühr zahlen, obwohl sie ihr Auto nur wenige Kilometer im Jahr bewegt haben. Auch dies stellte der EuGH in Abrede.
Letztendlich hatte die Bundeskanzlerin Recht, indem sie im Zusammenhang mit der deutschen Maut immer wieder betonte, wie verzwickt und heikel diese Konstruktion sei. Bereits 2013 stellte sie klar, dass es mit ihr keine Maut geben wird. Doch die CSU konnte das Vorhaben nicht mehr unbeschadet aufgeben. Die Diskussionen mit der CSU um die deutsche Maut wirkten immer sehr verkrampft und wurden häufig sehr heftig geführt.
Nach der EuGH-Entscheidung
Das Urteil bringt die CSU auf den Boden der Tatsachen zurück. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer erklärt recht deutlich die aktuelle Situation damit, dass die deutsche Maut nun „vom Tisch“ ist. Das Urteil muss angenommen werden und wird in aller Form respektiert. Die finanzielle Planung mit der Maut ist nun gescheitert.
Dieses Geld wurde bereits in den Haushalt 2020 des Bundes als Einnahme gestellt. Es wurde mit Einnahmen von rund 500 Millionen EUR pro Jahr gerechnet. Diese Mittel sollten dann in den Straßenbau und in die Verkehrsinfrastruktur fließen. Das Einnahmevolumen wurde jedoch von vielen Seiten angezweifelt.
Auswirkungen - was kommt nun?
Das Kraftfahrtbundesamt hatte für die deutsche Maut bereits Personalstellen geschaffen. All diese Schritte müssen wieder zurückgefahren werden. So muss alles wieder an den Anfang zurück.
Wenn es eines Tages eine deutsche Maut geben soll, muss dieses, dann neue Modell auch in Bezug auf die europäischen Nachbarländer und Mitgliedsstaaten neu überdacht werden. Autofahrer, ob im Inland oder im Ausland sollten bei Nutzung der Autobahnen und Bundesstraßen auch einen Beitrag zur Instandhaltung leisten. Vermutlich ist das Maut-Projekt ein europäisches Projekt und nur als solches auch gerecht für alle lösbar.
Scheuer wird vermutlich an der Finanzierung durch eine Nutzergebühr für Bundesstraßen und Autobahnen festhalten. Somit wird früher oder später klar sein, wer auf der Straße fährt muss auch eine Gebühr zahlen. Es klang schon an, dass über eine streckenbezogene Abgabegebühr nachgedacht wird.
Mit zukünftigen Maut-Plänen müssen auch die umweltschützenden Maßnahmen mehr in Betracht gezogen werden. Wer also viel fährt, sollte auch mehr zahlen. Und wer weniger fährt, zahlt weniger Gebühren. Das wäre ein entscheidender Beitrag für Umwelt und Klimaschutz.
Kritik hinsichtlich Warenmarkt
Einer sehr kritischen Betrachtung unterzog das EuGH den europäischen freien Warenmarkt, der durch die deutsche Maut erheblich eingeschränkt und belastet werden könnte.
Dies ist nach Auslegung des EuGH in Betracht zu ziehen. Wer Produkte und Waren über die Landesgrenze nach Deutschland bringen würde oder durch Deutschland transportieren würde, wäre durch die deutsche Maut zusätzlich belastet worden. Somit würden die Transportkosten steigen, die wiederum auf die Preise der Produkte umgelegt werden würden. Der Wettbewerb im Handel wäre beeinträchtigt. Gleiches gilt im freien Dienstleistungsverkehr.
Auch hier würde die deutsche Maut dazu führen, dass die Preise steigen müssten. Einzig und allein die Bedingungen hinsichtlich der Ausgestaltung und des Vollzuges der Maut sieht das EuGH als gerecht an. Hierzu zählen die Maßnahmen, die zur Überwachung und Durchsetzung der Maut beitragen, sowie die Untersagung der Weiterfahrt und die Erhebung von Bußgeldern.
Das Urteil des EuGH zieht nun endgültig einen Schlussstrich unter dem Thema Maut in Deutschland.
Politische Verantwortung
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Die Frage nach der politischen Verantwortung ergibt sich zwangsläufig. Leider können die damals verantwortlichen Politiker nicht mehr nachträglich die Konsequenzen ziehen und aus ihrem Amt ausscheiden.
Der jetzige Bundesverkehrsminister Scheuer wird die politischen Konsequenzen tragen müssen. Er ist verantwortlich dafür, dass die Haushaltskasse nun keinen erheblichen Schaden nimmt, da die überdimensionierten Einnahmen durch die Maut fehlen werden.
Reaktionen zum Urteil
Die übrige deutsche Politiklandschaft, die das Durchdrücken der deutschen Maut durch die CSU beobachtete, öffentlich diskutierte und in Frage stellte, reibt sich nun nach dem Urteil die Hände.
Der Verkehrsminister von Österreich nahm die Entscheidung des EuGH mit Erleichterung zur Kenntnis. Mit der Klarstellung, dass die deutsche Maut diskriminierend sei, wurde ein eindeutiges Signal für Gerechtigkeit und für einen gemeinsamen Binnenmarkt in Europa gesendet.
Die FDP-Spitze Lindner sieht die Entscheidung des Gerichtes als gerecht an. Er stellt auch nochmals heraus, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht angemessen gewesen wäre. Vor allem der grenznahe Bereich mit seinen Pendlern, wirtschaftlichen Verbindungen und dem grenznahen Verkehr hätte Schaden genommen.
Es wurde in der Nachbetrachtung deutlich, dass die deutsche Politik auf dieses Projekt mit seinen europaweiten Auswirkungen nur unzureichend vorbereitet war. Es ist wichtig, an dieser Stelle sehr akribisch zu sein, da die fehlenden Mauteinnahmen Löcher in die Bundeskasse reißen werden.
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